Sonntag, 22. März 2009

Der Skandal in Zentraleuropa

Der Alpenstaat inmitten Europas ist und war seit je her, verglichen mit seinen Nachbarn, ein Skandal. Wie ein trotziges Kind, das inmitten seiner Nachbarn seiner Nachbarn unbeirrt seinen eigenen Weg geht. Vielen ist und war das ein Dorn im Auge, sei es das die Schweiz Mitte des 19. Jahrhunderts wegen seines liberalen Regierungssystems erfolgreich den autoritären Regimen um sich herum vormachte wie ein Land von seinen Bürgern selber verwaltet wird, viele Freiheiten gewährt und auch stabil bleiben kann. Natürlich spielten auch Dinge wie die Sache mit Neuenburg eine Rolle, als Preussen offen vor den Kopf gestossen wurde und sogar Krieg drohte, als Frankreich erfolglos verlangte, dass ihren Oppositionellen kein politisches Asyl in der Schweiz gewährt werden soll, stets stellte sich die Alpenrepublik quer und berief sich auf die Prinzipien der Freiheit. Heutzutage sind es andere Geschichten die unsere Nachbarn zur Weissglut bringen, sei es das der EU-Beitritt ständig am mangelenden Volksmehr scheitert oder das Bankgeheimnis. vor allem letzteres belastet momentan die Beziehungen zu Deutschland sehr, vor allem als auf Herrn Steinbrücks Äusserungen eine erheiternde Fotomontage auf dem Internet zu kursieren begann. Darauf abgebildet sind General Stonebridge, als Offizier der US-Kavallerie und Bilder von unseren sieben Magistraten als Indianer. Naja, eine hiesige Pendlerzeitung bezeichnet ihn jetzt schon bereits als den "hässlichen Deutschen", der sozusagen alle Vorurteile der Schweizer gegenüber den Deutschen bedient. Noch wird gelacht, aber mal gucken wie sich das weiterentwickelt.

Aber zurück zum Skandalfleck in Europa, rundherum grassierte die Monarchie und Unterdrückung, doch im Herzen Europas besann man sich auf den Gedanken, der diesen losen Staatenbund seit jeher zusammenhielt, der Wille frei zu sein und selber über das eigene Geschick bestimmen zu dürfen. Doch der Staatenbund war schon seit 1798 mit dem Einmarsch der Franzosen überholt, keine einheitliche Gegenwehr, Handlungsunfähigkeit der Tagsatzung und es war geschehen. Doch in den folgenden Jahren kam das Land nicht zur Ruhe, immer wieder flackerten Revolten auf und die von den Franzosen eingesetzte Helvetische Republik war nur von kurzer Dauer und genau so machtlos wie die Tagsatzung zuvor, ausserdem zeigte sie deutlich, dass die Schweiz unmöglich zentralistisch zu regieren ist. Dies wurde natürlich auch Napoleon klar, auch wenn er den Schweizern deutlich vor Augen führte, dass sie militärisch allein von der Masse her im Nachtei seien, und man kehrte zurück zum Status Quo, man konnte sich wohl nicht mit dem Gedanken anfreunden bei jeder Revolte wieder Truppen zur Niederschlagung in die Alpen schicken zu müssen. Das Experiment Zentralismus in den Alpen war somit endgültig gescheitert. Doch die grossen Umwälzungen sollten erst noch folgen, nach der Restauration des Ancien Régimes, der Phase der Regeneration, bis zum Sonderbundskrieg, dem letzten Bürgerkrieg und letzten grösseren Kampfhandlungen auf Schweizer Boden.
In den 1830ern, als Europa wieder von einer neuen Welle der Revolutionen heimgesucht wurde, kam es auch hierzulande dazu, dass bewaffnete Mobs durch die Strassen zogen und die Ideen der Volkssouveränität, Säkularismus und Pressefreiheit neuen Aufschwung erhielten. Ich für meinen Teil würde sagen, dass bereits hier der Grundstein für den zukünftigen Bundesstaat gelegt wurde, denn im Gegensatz zum Ausland wurden diese Ideen hier in der Bundesverfassung von 1848 verwirklicht. Naja, eben wegen dieser umgesetzten liberalen Ideen war der erste Skandal geboren, kein Staatsoberhaupt, die Macht beim Volk, die Regierung organisiert wie eine Verwaltung, die anständig um Erlaubnis fragen muss bevor sie grundlegende Dinge ändert, viel Eigenständigkeit und viel Verantwortung für den einzelnen Bürger. Hat bis jetzt zumindest gut funktioniert, auch wenn es bis in die 70er Jahre gedauert hat bis auch Frauen das aktive und passive Wahlrecht auf allen Ebenen erhielten.
Und dann war da noch die Sache mit Neuenburg, nur acht Jahre nach der Gründung des Bundesstaates putschten die örtlichen Royalisten gegen die Republik Neuenburg, denn nominell gehörte Neuenburg immer noch dem Hause Hohenzollern und war somit sowohl preussisch wie auch ein Teil des Schweizer Bundesstaates. Das konnte nicht auf Dauer gutgehen. Jedenfalls wurde die Revolte niedergeschlagen und die Putschisten inhaftiert. Die Forderungen des preussischen Königs diese wieder freizulassen oder sie gar zu amnestieren wurden vom jungen Bundesstaat abschlägig beschieden und so bereiteten sich beide Seiten auf einen bewaffneten Konflikt vor. Wahrscheinlich wäre die junge Republik den Preussen hoffnungslos unterlegen gewesen, doch das die Art wie man sich selbstbewusst einer europäischen Grossmacht widersetzte ist bewundernswert. Zum Glück jedoch ging die Sache glimpflich aus, Napoleon III griff vermittelnd ein und erreichte den Verzicht Preussens auf das ehemalige Fürstentum Neuenburg. Nun, man muss dazu noch anmerken, dass beim französischen Kaiser nicht nur strategische Punkte eine Rolle gespielt haben können, denn er hatte seine Jugend in der Schweiz verbracht, war seit 1832 Schweizer Staatsbürger ehrenhalber und auch dass ihm die Eidgenossen 1837 die Stange gehalten hatten und sich weigerten, trotz Kriegsdrohungen Frankreichs, ihn auszuliefern. Vielleicht ein paar Punkte die ihn möglicherweise auch dazu bewogen haben hier einzuschreiten. Der erste aussenpolitische Konflikt war somit ausgestanden, weitere sollten folgen, man brachte bis Heute immer wieder autoritäre Landesväter und Führerfiguren zum Schäumen. Seien es nun Hitler, Gadaffi oder den Herrn Steinbrück, wobei ich letzteren nicht mit den beiden vorgenannten gleichstellen möchte, sowas hat auch er bei weitem nicht verdient.

Es ist schon interessant wie sich hier die Ideen der Volksherrschaft durchsetzen konnten und wie sich hier das Verhältnis der Bevölkerung zur eigenen Regierung entwickelt hat. Vor allem, dass das Land schlussendlich trotz sozialer Brennpunkte stabil blieb, denn zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Schweiz das Armenhaus von Europa. Wenn man sich Fotos aus der damaligen Zeit anschaut drängen sich Assoziationen mit der dritten Welt auf. Magere Gestalten, in ärmlicher Kleidung und eingefallenen Gesichtern dominieren die ländlichen Szenen. Bäuerinnen und Bauern, die wie Heute Menschen in der dritten Welt, Lasten auf dem Kopf tragen, Alkoholismus und Arbeiterelend, bettelnde Landbevölkerung vor damaligen Touristen, all das ist kaum Hundert Jahre her. Romantisch verklärte Vaterlandsliebe, Nationalismus, faschistische Tendenzen, ja auch das hat es gegeben, doch auch darüber ist man mittlerweile geistig hinweggekommen, auch wenn das Anfang der Neunziger zu einer regelrechten Identitätskrise führte und von wirtschaftlichen Krisen begleitet wurde. Doch Krisen sind nun mal Prüfsteine und dazu da, dass man sie überwindet und vorwärtsschaut, da geht es allen gleich. Die Krise mit der eigenen Identität, der Wandel von "la Suisse n`existe plus" zum neuen Selbstbewusstsein scheint langsam in der letzten Phase angekommen zu sein, auch wenn hierzulande auch schon wieder die nächste Rezession dämmert, das Leben geht weiter. Alles Jammern nützt nichts und hat noch nie genutzt, Ärmel hochkrempeln und halt eine zeitlang untendurch.

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