Montag, 22. September 2008

Typisch Schweizerisch?

Angeregt durch ein Posting bei der Krähe mit dem Titel "Typisch Deutsch", kam ich auf die Idee, was macht eigentlich die Eidgenossen aus? Also, ich kann sagen, dass ich den Klischeeschweizer schon einmal getroffen habe, aber er passt vielleicht höchstens vom Denken und der Art in das Bild das andere von uns haben. Lustigerweise ist er ein Abkömmling von Auswanderern, sein Grossvater wanderte in die Vereinigten Staaten aus und sein Vater wurde dann zum Rückwanderer und er kam mit ca 6 Jahren wieder in die Heimat seiner Vorfahren. Wirklich er wäre jetzt für viele der typische Bilderbuchschweizer: bodenständig, stämmiger Körperbau, aber eher gedrungen, kräftige Arme und ein Dialekt der kaum urtühmlicher sein könnte. Und um das Ganze noch abzurunden, er ist ein Bauernsohn und ist selber im Agrikulturbereich tätig, allerdings, man würde es ihm auf den ersten Blick nicht zutrauen, im Bereich der Agrarwissenschaften an der ETH. Ja er würde wirklich in das Bild passen, jetzt müsste man ihn nur noch in eine Tracht stecken und es passt.

Naja, ein Innerschweizer, der halt das Klischee voll bedient. Aber das gilt vielleicht höchstens für die Leute auf dem Land, da gibt es noch viel mehr. Wenn man vom Schweizer spricht meint man meistens den Deutschschweizer, klar die deutschsprachigen sind in der Mehrheit, über 60% sprechen eine deutschähnliche Sprache. Die nächste grössere Gruppe ist Frankophon, etwa 20% aller Schweizer sprechen Französisch, und konzentriert sich in der Westschweiz. Diese Region ist in der Schweiz besser bekannt Welschland oder la Suisse Romandie. Dann sind da noch die Tessiner, die Italienisch sprechen, mit über 6% Anteil an der Gesamtbevölkerung. Und kaum bekannt ausserhalb der Schweiz ist das Rätoromanisch, das nur noch von knapp einem halben Prozent der Bevölkerung gesprochen wird und, wenn der Trend anhält, in absehbarer Zeit aussterben wird. Tja und dann haben wir noch viele Migrantensprachen, sie machen mittlerweile alle zusammen ca 9% der Bevölkerung aus.
Also sprachlich gesehen gibt es den Schweizer nicht, wir sind ein Gemisch aus vier verschiedenen Sprachen und alle vier sind offizielle Amtssprachen der Regierung. Nicht aber Kantonssprachen, es hat wenig Sinn ein offizielles Schreiben an eine Behörde im Kanton Jura in deutsch zu verfassen. Das landet dann meistens mit einem Begleitbrief wieder im eigenen Briefkasten mit dem Vermerk: en français s`il vous plaît.
Und auch die Deutschschweizer an sich bilden keine homogene Masse, Deutsch wird gesprochen, aber kein Hochdeutsch, die tägliche Umgangssprache ist das Schwiizertütsch das sich in mindestens drei Gruppen der allemannischen Dialekte unterteilt. So verschieden die Dialekte auch für einen Aussenstehenden klingen, die Schweizer verstehen sich untereinander sehr gut und wenn mal das gegenüber ein Wort braucht, dass man nicht versteht, weil es halt eine regionale Eigenheit des Dialektes ist, dann fragt man halt oder liest die Bedeutung aus dem Kontext. Für alle die sich mal dafür interessieren wie sich die verschiedenen Dialekte anhören, sollen mal hier vorbeischauen.


Eigentlich ein Wunder, das die Dialektvielfalt in der Schweiz überlebt hat, denn zu Beginn des 20. Jahrhunderts sah es fast danach aus, als ob das Deutsche, die schweizerischen Dialekte verdrängen würde. Doch die beiden Weltkriege und die Zwischenkriegszeit sorgten für eine regelrechte Renaissance der Dialekte und das Schwiizertütsch, das es so eigentlich auch nicht gibt, wurde zu einem Teil der nationalen Identität für die Deutschschweizer. Es ging in den 60er sogar soweit, dass die Mundart (=Dialekt) Bereiche eroberte, die zuvor vom Standarddeutsch oder Hochdeutsch dominiert wurden, also Radio, Fernsehen, Musik und Lyrik.

Hier mal ein Beispiel: Mani Matter, seine Lieder kennt heute noch fast jeder Schweizer und er hat viele nachkommende Musiker entscheidend beeinflusst oder ihnen sozusagen den Weg in die Herzen der Menschen geebnet.



Die löste eine regelrechte Mundartwelle in der Musik aus, es folgten Bands wie Rumpelstilz und Patent Ochsner, Polo Hofer, bis zu Florian Ast, Göla und Plüsch.

Ich gebe einfach mal ein paar zum Besten, so was youtube halt hergibt.

Polo Hofer



Rumpelstilz




Patent Ochsner, d`Venus vo Bümpliz, melancholisch und schön.



Plüsch mit Heimweh, die typische "Schweizerkrankheit"



Göla, Musik aus meiner Jugendzeit.



Und da gibts noch vieles mehr....

Nun, was bringt man mit der Schweiz in Verbindung? Ich sammel auch mal.

  • Neutralität Jja wir mischen uns nicht ein, wir liefern einen neutralen Ort für Gespräche, nicht umsonst sind einige Institutionen der Uno in Genf. Allerdings sind wir auch soweit neutral, dass wir alle Kriegsparteien mit Waffen beliefern.
  • Wehrhaft Wir leisten uns eine im Vergleich zur Bevölkerung immer noch wahnsinnig grosse Armee. Von den zahlreichen Bunkeranlagen und Gebirgsfestungen und der Luftschutzabdeckung die bei über 90% liegt will ich gar nicht erst reden. Wir sind sozusagen bereit für den 3. Weltkrieg, die Milliardengräber haben wir schon.
  • Stur und Eigensinnig Ein Land inmitten der EU und wir sind nicht dabei, weil das Volk und einige Politiker sich dagegen sträuben. Liegt Hauptsächlich an der alten Maxime: keine fremden Herren und keine fremden Richter. Lieber geht man auf Biegen und Brechen einen eigenen Weg.
  • Kantönligeist die Kantone sind eigentlich in dem Sinne fast kleine eigenständige Staaten die noch viele Dinge selber regeln, dass in anderen Ländern zentral abgehandelt wird. Manchmal kommen sich die Kantone auch ins Gehege oder weigern sich, zum Leidwesen derer, die dies bitter nötig hätten, zusammen zu arbeiten.
  • Direkte Demokratie Viele Dinge liegen in der Schweiz noch in Volkshänden, sprich das Volk muss Gesetzen und Regelungen, Verfassungsänderungen seinen Segen an der Urne geben. Somit besitzt der Schweizer Bürger enorm viel mehr Verantwortung und auch Macht. Kein leichtes Leben für Politiker, bauen sie Mist werden die Vorlagen ihrer Partei am nächsten Wahlgang abgewatscht. Wir haben nicht einmal ein Staatsoberhaupt, denn diese Funktion wird laut Verfassung von der Bevölkerung wahrgenommen, wir haben also ca sieben Millionen Staatsoberhäupter.
  • Frauenwahlrecht Naja, ein trauriges Kapitel. Das Frauenwahlrecht wurde auf Bundesebene erst 1971 eingeführt und im letzten Kanton, also auf der Kantonsebene, erst 1990. Nicht gerade schmeichelhaft.
  • Schokolade und Uhren Ja Schokolade und Uhren, das hört man meist als erstes, wenn man Leute zur Schweiz fragt. Ich kann es nicht recht beurteilen, ich weiss nicht ob die Schokolade im Ausland schlechter schmeckt.
  • Käse Ein weiteres Klischee, Käse und seine Vielfalt. Ja, unsere teuer subventionierte Landwirtschaft produziert Tonnen davon. Wie ich gehört habe, wird im Ausland die nicht so gute Ware zu stolzen Preisen verhökert.
  • Hochpreisinsel Viele Leute staunen ab Schweizer Gehältern und beneiden uns, aber wenn sie mal unsere Lebenserhaltungskosten sehen, dann weicht das Staunen dem Entsetzen. Miete, Krankenkasse und das tägliche Brot frisst neben Versicherungen und Steuern so einige von diesem Lohn wieder auf. Auch Touristen haben so gewisse Aha-Erlebnisse....
  • Bescheidenheit und Höflichkeit Im Ausland werden wir als sehr ruhige zurückhaltende Menschen mit sehr ausgeprägten Umgangsformen wahrgenommen. Trifft sicher nicht auf alle Schweizer zu, bei uns gibts genau so ungehobelte Flegel wie überall auch, aber die Höflichkeit ist noch sehr tief in der Gesellschaft verwurzelt. Höflichkeit und Kolleggialität, manchmal bis zur Harmoniesucht und Selbstverleugnung.
  • Langsam Ich habe auch mal gehört wir seien langsam. Das ist nicht wahr, wir nehmen uns nur Zeit. Es gibt langsame Schweizer, oder denen das anhaftet, dass sind dann die Berner, während die Berner finden, dass die Emmentaler langsam sind und das man denen ja keinen Witz am Freitag Abend erzählen darf, weil sonst am Sonntag alle in der Kirche in Gelächter ausbrechen. Aber es gibt auch schnelle Schweizer, Zürcher zum Beispiel, von denen böse Zungen behaupten, dass das gar keine Schweizer sind. Sie leiden übrigen unter fast den gleichen Vorurteilen wie Deutsche in der Schweiz. Grosspurig, arrogant und grosses Mundwerk.
  • Gepflegte Feindschaften Die Schweizer ein einig Volk von Brüdern? Alles aber nur das nicht. Die Solothurner mögen die Basler nicht, die Appenzeller die St. Galler, die Romands die Deutschschweizer und die Zürcher mag gar keiner. So wird fleissig gestritten und gefrotzelt, Witze gemacht im geheimen, bis einer von aussen kommt und jemandem aus diesem Verbund an den Karren fährt. Dann ist aber der Teufel los, denn dann rottet sich die zerstrittene Bande zusammen und macht geschlossen Front gegen den fremden "Fötzel" (in etwa: fremder Fetzen).
  • Berge und Täler Ja Berge gibt es hier zu Hauf, über 60% des Landes werden vom gewaltigen Alpenmassiv eingenommen, dann noch ca 10% vom Juragebirge in der Nordwestschweiz und der Rest ist dann das hügelige Mittelland wo sich alles ballt und drängt.
Tja, ich hoffe mal, dass ich das so verständlich hingekriegt habe. Ein kleines Land, aber viele Eigenheiten.

2 Kommentare:

Hexe hat gesagt…

Bei mir wartet ein Award auf dich.

Die Krähe hat gesagt…

Na, da hab' ich ja was losgetreten. ;-)

Das mit dem Frauenwahlrecht fand ich schon ziemlich abgedreht, aber gut, ich hab es am Ende verstanden. Direkte Demokratie hat eben auch ein paar Schattenseiten.

Aber eine Frage habe ich schon noch: Warum zum Geier sind Züricher für euch keine Schweizer???